Aufwendige Impfsprechstunden

Impfen bringt viele Aufgaben und bisweilen auch forsche Patienten

Am Donnerstag (20. Mai 2021) fällt die Corona-Priorisierung bei Bayerns Allgemeinmedizinern. Das zeigt: Den Hausarztpraxen kommt bei der Corona-Impfung eine besondere Rolle zu, die MedizinerInnen und ihre Mitarbeitenden kennen ihre Patienten und Impfen ist für sie Alltagsgeschäft. Doch die Arbeit der Medizinischen Fachangestellten (MFA), die in Pandemie-Zeiten mehr und schwer geworden ist, sehen nur wenige, beklagen zwei Helferinnen einer Erlanger Praxis.

Die Telefone stehen nicht still, es klingelt und klingelt: Allein an diesem Montagvormittag (17. Mai 2021) hat Anna Ranwig 25 Frauen und Männer auf die Warteliste für eine Corona-Impfung genommen – und mindestens zehn gleich absagen müssen: „Das waren Anrufer, die bei uns keine Patienten sind“, sagt die Medizinische Fachangestellte, die in der Gemeinschaftspraxis der Co-Vorsitzenden des Erlanger Hausärztevereins Annegret Hoffmann Leygue arbeitet.

Viele Anfragen kommen auch per E-Mail, ergänzt Ranwigs Kollegin Silvia Beck. Die 51-Jährige ist ebenfalls MFA und seit mehr als 30 Jahren in der Praxis tätig. „Viele probieren es überall, auch wenn auf unserer Homepage steht, Corona-Impfung nur für unsere Patienten – das wird einfach ignoriert“, sagt sie.

Manche verstehen das, manche aber auch nicht. Diese würden dann auch mal etwas forscher auftreten, berichten die zwei. „Wenn wir dann per E-Mail schreiben, dass wir nur unsere eigene Patienten impfen und sie sich ans Impfzentrum wenden oder ihren Hausarzt wenden sollen, kommen dann auch schon mal sehr aggressive Antworten zurück“, sagt Silvia Beck. Mit jeder weiteren Woche würden manche Ungeimpfte ungeduldiger und unzufriedener.

Bei den ersten Impfungen in der Hausarztpraxis – die Co-Vorsitzende des Hausärztevereins gehörte zu jenen bayerischen Allgemeinärzten, die bereits vor den Osterferien in einem Pilotprojekt die ersten Spritzen geben durften – sei das noch nicht so gewesen, die Stimmung habe sich geändert.

„Nur ich, ich, ich“

„Manche sind jetzt schon sehr egoistisch“, berichtet Silvia Beck, „für sie gibt es nur: ich, ich, ich, selbst wenn sie erst 30 und gesund sind, wollen sie jetzt sofort die Impfung, um in den Urlaub zu fahren oder in den Biergarten zu gehen.“ Manche würden auch am liebsten selbst bestimmen, welches Vakzin sie bekommen, den zweiten Impftermin wegen Urlaub verschieben oder – auch das kam schon vor – nach einer Erstimpfung im Impfzentrum die zweite Spritze in der Praxis bekommen, um den Termin für sie günstiger zu legen.

Doch das sei alles momentan gar nicht möglich. Schließlich müsse die Praxis ja mit dem Serum auskommen, das ihnen zugeteilt werde – derzeit reicht das in der Büchenbacher Praxis, die rund 1200 Patienten hat, für im Schnitt 50 Impfungen pro Woche, auf der momentanen Warteliste stehen allerdings etwa 800 Impfwillige.

Es liegt aber nicht nur an der Mangelware Impfstoff selbst, was den Hausarztpraxen zu schaffen macht. Auch das Impfen ist sehr aufwändig und arbeitsintensiv, erzählen Beck und Ranwig. Man müsse die Patienten auf die Warteliste setzen, noch bis zu diesem Donnerstag (20. Mai 2021) muss man die Impfwilligen nach Reihenfolge priorisieren, dann fällt das weg, doch auch hier müssen die zwei Mitarbeiterinnen weiterhin auf bestimmte Kriterien schauen: „Wir werden weiterhin erst die Älteren und Kränkeren impfen, es muss ja etwas fair bleiben“. Jeweils am Donnerstag bekommt die Praxis dann Bescheid, wie viel Vakzine in der nächsten Woche bereit stehen – und die Impfwilligen werden dann angerufen.

Aufwändiges Prozedere

Auch die Impfung hat es mit Kühlung, Vorbereitung und Durchführung in sich, das alles kostet Zeit, dazu müssen die MFA , die landläufig noch immer Arzthelferinnen genannt werden, die Impf-Angaben überprüfen, etwa wenn sich jemand Kontaktperson von Pflegebedürftigen nennt; danach kommt dann noch die Datenübermittlung an die Kassenärztliche Vereinigung und an das Robert Koch-Institut. „Ich habe das Gefühl, dass ich mich den ganzen Tag mit der Liste beschäftige“, sagt Anna Ranwig, „ich wälze diese Liste von früh bis Mittag, permanent, Seite für Seite, es dreht sich den ganzen Tag um diese Liste“.

Dazu kommen die Aufgaben, die auch noch anfallen: beispielsweise Blutdruck messen, Blut abnehmen, EKG, Rezepte ausschreiben sowie eine seit Corona extra eingeführte Infektsprechstunde für Patienten mit Erkältungssymptomen, ständig wechselnde Infektionsschutzregelungen, nach wie vor Covid-Erkrankungen und Patienten mit anderen chronischen und akuten Beschwerden.

„Man kann wirklich sagen: MFA am Limit und da spreche ich sicherlich für alle in ganz Deutschland“, betont Silvia Beck, die als Erstkraft das mehrköpfige Praxisteam zusammenhält. Sie könne gut verstehen, wenn manche da einen Burnout bekommen, sagt sie. „Wir sind ein gutes Team und haben einen guten Zusammenhalt“, sagt sie, „das hilft, aber abends ist man schon fertig und manchmal sind Tage dabei, da ist man den Tränen nahe“, erzählt sie und fügt hinzu: „Das dürfen Sie durchaus schreiben“.

Denn manche Patienten seien eben schon so unverschämt, dass das richtig nahegehe, dazu die Arbeit und die Verantwortung, beide haben in den vergangenen Tagen von der Praxis geträumt, wenn man dann heimkomme, brauche man eigentlich nicht mehr viel. Auf Anna Ranwig, die halbtags arbeitet und in Erlangen wohnt, wartet dann zuhause die kleine Tochter, Silvia Beck wohnt in Emskirchen und ist dann froh, wenn sie nach einem stressigen Tag kurz vor 19 Uhr auf dem Balkon oder dem Sofa sitzen kann.

Viele Patienten schätzen die Arbeit

Aber bei den eigenen Patienten überwiegen die „lieben“, betonen die zwei, die inzwischen auch selbst geimpft sind. „Beim Impfen sind wirklich viele sehr dankbar, es ist dann richtig schön, wenn man den Patienten in dem Moment etwas Gutes tun kann, deshalb mag ich den Beruf auch so sehr“, sagt die 44-jährige Anna Ranwig, „viele Patienten wissen, was wir leisten und schätzen unsere Arbeit.“

Doch das sei nicht bei allen so. Viele wüssten auch gar nicht, wie groß Aufwand und Arbeit für Arztpraxen überhaupt wirklich seien. Aber auch viele, die es (besser) wissen müssten, zeigten oft nicht die nötige Anerkennung, sagt Silvia Beck. Etwa die Politik. „Was wirklich fehlt ist die Anerkennung und die Wertschätzung des Staates für das, was wir hier stemmen“, sagt sie, „es wird zwar alles auf uns abgewälzt, aber erwähnt werden wir nie, das ist schon traurig“

Autorin und Foto: Sharon Chaffin
Der Artikel erschien in Erlanger Nachrichten am 19.05.2021
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